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Du brauchst kein Qualitätssiegel für dich. Du musst niemandem beweisen, dass du wertvoll bist.
Qualitätsmanagement mag für Unternehmen sinnvoll sein. Sie weisen mit einem Qualitätssiegel nach, dass ihre Arbeitsabläufe zuverlässig sind und immer wieder optimiert werden.
Für die Persönlichkeit von Menschen taugt dieser „kontinuierliche Verbesserungsprozess“ nicht. Denn er führt in aller Regel zu Minderwertigkeitsgefühlen und unangemessenen Selbstzweifeln.

Welchen Erwartungen versuchen wir gerecht zu werden? 

  • Wir sollen in Businesskleidung wie im Sportdress eine gute Figur machen,
  • selbstständig, aber doch anhänglich sein,
  • gut bezahlte Jobs haben und Karriere machen, gleichzeitig fürsorgliche Eltern sein, für die der Nachwuchs immer an erster Stelle kommt …

Kurz: Die Erwartungen sind nicht nur riesig, sondern auch noch widersprüchlich.
Wer da mithalten will, kommt leicht ins Schleudern.
Denn wie sehr du dich auch anstrengst: Irgendwas bleibt immer, was nicht optimal ist, was jemand verbesserungswürdig findet.

1. Allgemeine Erwartungen anderer erfüllen wollen ist gar nicht möglich.

Es dennoch zu versuchen, hat eine sehr unerfreuliche Konsequenz.
Indem du immer nach dem „noch was“ strebst, schätzt du das Vorhandene nicht.
Du richtest den Blick auf das, was du (noch) nicht hast oder kannst.
Was gut ist, was du hast und was du kannst, fällt dagegen kaum ins Gewicht.

2. Du übersiehst, was schon gut ist, so wie es ist.

Das ist aber noch nicht mal das Schlimmste daran.
Das wirklich Schlimme dabei ist: Wer ständig das Gefühl hat, nicht zu genügen, obwohl er jede Menge tut und zu bieten hat, wird atemlos und auf Dauer sogar krank.

3. Du untergräbst dein Selbstwertgefühl.

Wie kannst du das ändern? Wie kannst du gegensteuern und dein Selbstbewusstsein stärken?
Es ist ja so, dass wir diese Denke oft ziemlich verinnerlicht haben. Unser Umfeld und die Medien tun ihr Übriges, immer wieder zu bestätigen, dass noch mehr geht – und du dich nicht zufrieden geben solltest.

Was ich dir dazu mitgeben möchte, sind eine Frage und ein Denkmuster:

Die Frage heißt: Wozu eigentlich?

Frag dich doch mal ernsthaft:

  • Wozu soll ich eigentlich immer schöner, schlanker, tüchtiger werden?
  • Wozu soll ich mich noch besser organisieren oder mir ehrgeizige sportliche Ziele setzen?
  • Was habe ich eigentlich selbst davon?

Relevant dafür ist doch, was du brauchst und was du willst.
Du! Niemand sonst.
Wenn du also keine gute Antwort auf diese Frage hast, kannst du es getrost lassen, in diesem Punkt an dir herumverbessern zu wollen.

Mein zweiter Tipp ist, deine Gedanken zu verändern, und zwar mit einem Zauberwort.

Immer wenn dir Gedanken wie „nicht genug“ oder „zu wenig“ kommen, drehst du den Spieß um und überlegst dir, wofür es reicht.
Stell‘ dieses „nicht genug“ auf den Prüfstand mit dem Zauberwort GENUG:

Wenn du denkst: „Ich bin nicht fit genug.“, dann kannst du das nämlich auch ganz anders betrachten:

  • Dass du schnell genug bist, um den Bus zu kriegen.
  • Dass du genug Puste hast, um einen 14-Stunden-Tag mit Beruf, Kindern und Haushalt zu stemmen.
  • Dass du beweglich genug bist, um die Legos hinterm Sofa rauszupulen …

Das ist doch was! Es muss ja nicht jeder ein Sportcrack sein!

Kommt dir der Gedanke „Ich habe zu wenig Selbstbewusstsein.“ , dann frag dich, wozu dein Selbstbewusstsein absolut ausreicht.

  • Vielleicht hast du es geschafft innerhalb von zwei Stunden einen Handwerker für die kaputte Heizung zu kriegen.
  • Oder einen schwierigen Kunden zu besänftigen.
  • Oder dem Nachbarn freundlich, aber bestimmt zu sagen, dass seine laute Musik euch stört.

Das kann doch reichen!

Du bist genug! Und du bist wertvoll!

Es geht nicht darum, Phlegma oder Gleichgültigkeit zu kultivieren.

  • Wenn du Lust auf Sport hast, tu es unbedingt.
  • Wenn du vehement deine Meinung äußern willst, bitte sehr.
  • Wenn du dich in einem bestimmten Punkt verbessern willst, geh‘ es an.

Aber du musst das nicht tun um wertvoll zu sein! Das bist du auch so.

Wenn du mal wieder ins Rotieren kommst, um allen möglichen Erwartungen und Ansprüchen gerecht zu werden, hol dich mit diesem Mantra zurück: ICH BIN GENUG!

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Die aktuelle „Corona-Situation“ empfinden viele Menschen nicht nur deshalb als Krise, weil sie akut bedrohliche Aspekte enthält. Sie fühlen sich vor allem dadurch verunsichert, dass sie nicht mittel- und langfristig planen können: Einkommen, Anschaffungen, Kinderbetreuung, Reisen, Feiern, Karriereschritte – alles scheint in der Luft zu hängen.

In solchen Krisen neigen wir dazu, uns auf ein „Danach“ zu fokussieren, das wieder nach unseren Vorstellungen läuft. Uns wenigstens darauf verlassen zu können, so glauben wir, ließe uns die Schwierigkeiten und Belastungen besser durchstehen. Doch dann erleben wir, dass sich die Umstände unseren Planungen entziehen. Genau das macht nämlich das Empfinden von Krisenhaftigkeit aus: Dass wir eben nicht wissen, wie es weitergeht.

 

Wir stecken Energie in unsere Vorstellungen und Erwartungen.

Je strukturierter wir üblicherweise vorgehen, desto mehr fordert uns diese Unwägbarkeit heraus, und desto mehr Druck macht sie uns. Wir wehren uns dagegen mit beträchtlicher Widerstandskraft, wo wir mit Elastizität, Mitschwingen und Flexibilität, mit Anpassungskraft und Veränderungskraft weiterkämen. Wir versuchen zu kontrollieren und zu manipulieren, um doch noch unsere Vorstellungen zu verwirklichen, auch wenn das nicht mehr realistisch erscheint. Und alles, was das verhindert, beurteilen wir als schlecht. Wieso eigentlich?

  • Einen Plan zu haben gibt uns Sicherheit und Orientierung.
  • Planen beschäftigt unseren Geist und dämpft unsere Ängste.
  • Unsere Erwartungen scheinen uns aktiv zu halten.
  • Eigene Vorstellungen zu entwickeln bewahrt uns davor fatalistisch zu resignieren.
  • Mit Plänen und Vorannahmen bereiten wir den Boden für mögliche Lösungen.

 

Doch wenn wir um jeden Preis an unseren Vorstellungen festhalten, verschwenden wir kostbare Energie.  

Denn so sehr wir uns auch bemühen, längst nicht jeder unserer Pläne geht auf. Manchmal liegt es daran, dass der Plan nicht gut war. Manchmal erlahmt unser eigener Tatendrang auf halbem Weg. Häufig wird der Plan aber auch von äußeren Ereignissen, veränderten Bedingungen oder überraschenden Wendungen durchkreuzt.

Von Blaise Pascal stammt die Aussage „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl‘ ihm von deinen Plänen.“ Das Leben funktioniert eben nur selten, wie wir es erwarten.

  • Wir unterliegen Gegebenheiten, die wir nicht ändern können.
  • Wir machen Erfahrungen, auf die wie gerne verzichtet hätten.
  • Wir müssen aufgeben, was wir für gesichert hielten.
  • Wir schaffen einfach nicht, was wir uns vorgenommen haben.
  • Unsere Werte und Prioritäten haben sich entscheidend geändert.

Wenn wir uns an einmal gefasste Pläne klammern, die aber nicht (mehr) zu verwirklichen sind, laufen wir mit dem Kopf immer gegen die gleiche Wand.

Wir verwechseln Weg und Ziel. Weil der eine Weg, den wir im Kopf haben, versperrt ist, glauben wir nicht mehr ans Ziel kommen zu können. Doch dass ein Weg nicht (mehr) funktioniert, heißt nicht, dass das Ziel verloren ist.

Manchmal stellt sich auch heraus, dass unser ursprüngliches Ziel nicht mehr passt oder nicht mehr sinnvoll ist. Um das zu erkennen, müssen wir uns aber darüber klar werden, worauf es uns im Wesentlichen ankommt, was unsere Bestimmung ist, was für uns ein gelungenes Leben bedeutet. Sonst merken wir nicht, dass die Leiter, die wir mit aller Anstrengung hinaufklettern, an der falschen Wand lehnt.

Viele Planungen fallen also am Ende anders aus, als wir uns vorgestellt haben. Welche deiner Pläne sind nicht aufgegangen? Und was ist  stattdessen unvorhergesehen dabei herausgekommen?

 

Das Leben ist seinem Wesen nach unberechenbar.

Das vergessen wir manchmal, besonders wenn eine Zeitlang alles nach unserer Vorstellung läuft.

Doch wenn das Leben immer unseren Plänen und Erwartungen folgen würde, dann wäre das Leben selbst nicht größer als unsere eigene geistige Kapazität.

Das Unerwartete und Unerwünschte sofort als schlecht zu beurteilen, zeugt von Engstirnigkeit und Überheblichkeit. Es blockiert unsere Anpassungskraft und unsere Fähigkeit eine Vielzahl von Lösungen zu entwickeln und unterschiedliche Wege auszuprobieren. Wir können also aufhören damit es zu bewerten.

 

Es ist einfach anders, als wir uns gedacht haben.

Und deshalb wird es von dieser Stelle aus anders weitergehen als ursprünglich angenommen. Mehr wissen wir noch gar nicht. Was wie Scheitern aussieht, kann aus einer anderen Perspektive als Erfolg betrachtet werden. Meist erkennen wir erst im Rückblick, welches Gesamtbild sich aus den einzelnen Puzzleteilen ergibt.

Wenn wir unsere festgefügten Vorstellungen, wie es sein müsste, loslassen, werden neue kluge und weiterführende Fragestellungen möglich:

  • Wo rührt das eigentlich her, was ich von dieser Situation erwartet habe?
  • Ist es wirklich angemessen, dass es genau nach meinen Vorstellungen läuft?
  • Was kann ich in dieser Situation gestalten, auch wenn meine Erwartungen nicht erfüllt werden?
  • Was ist alles dennoch möglich?
  • Wie gelingt es mir, weiter gefasste und unvorhergesehene Ergebnisse zuzulassen?

Wenn wir uns mit der Idee anfreunden, dass es noch etwas Größeres gibt als unsere individuellen Wünsche und Vorstellungen, können wir auch Situationen wertschätzen, in denen unsere Erwartungen nicht erfüllt werden.

 

Sollten wir am besten nichts erwarten?

Sollten wir also überhaupt keine Pläne machen und uns konsequent von allen Erwartungen verabschieden?  Für die meisten von uns ist das weder realistisch noch praktikabel. Wir können gar nicht aufhören, Vorstellungen zu entwickeln. Und das ist auch nicht wünschenswert. Unsere persönliche Stärke beruht unter anderem auf kreativen Leistungen, Willensbildung und Wirkungsfähigkeit.

Doch wir können lernen, unsere Erwartungen als solche bewusst zu machen und sie durchlässig zu halten. Wir können uns für einige Momente oder in bestimmten Situationen von unseren Erwartungen lösen. Diese Unvoreingenommenheit brauchen wir, um Möglichkeiten, die nicht in unserer Reichweite lagen, überhaupt zuzulassen.

 

Es geht um das Wesentliche in unserem Leben.

Es macht also durchaus Sinn, Pläne zu schmieden, Vorstellungen zu entwickeln, Konzepte auszuarbeiten. Ohne das wird unser Tun und Lassen ziellos und beliebig. Doch Pläne sind nur Konstrukte, um das Wesentliche unseres Lebens zu erkennen und wahr zu machen.

Unsere Fähigkeit zu Gestaltung und Planung und unsere Bereitschaft zu Willensbildung und Engagement wollen entfaltet werden.

Es geht darum, anpassungsfähig zu sein hinsichtlich der Vorgehensweise, flexibel zu sein hinsichtlich des Weges, kreativ zu sein hinsichtlich der Möglichkeiten.

Es geht darum, nicht zu hadern und uns aus der Ruhe bringen zu lassen, wenn es dann doch nicht so funktioniert, wie wir uns das gedacht haben.

Es geht darum, auch die Unverfügbarkeit von Gegebenheiten und Entwicklungen anzuerkennen und es nicht als Fehler oder Versagen zu betrachten, wenn es sich nicht wie von uns gewünscht zuträgt.

 

Planung als konstruktiver Beitrag statt einengender Vorgabe

Dies können wir als Grundhaltung kultivieren: Eine entspannte Flexibilität erlaubt es, Pläne und Vorstellungen immer wieder anzupassen, sich von (vorübergehendem) Chaos nicht verunsichern oder aus der Bahn werfen zu lassen. Wenn wir bereit und offen sind für Überraschungen, die wir nicht selbst und nicht alleine kreieren können, geben wir dem intuitiven Werden eine Chance.

Wir können uns informieren und Wissen erwerben. Wir können Zusammenhänge durchdringen. Wir können lernen. Wir können das Unsere tun an Vorsorge, Vorbereitung und vorausschauender Planung. Und dann gilt es offen zu sein für das, was das Leben uns bietet. Bereit zu sein, von da aus weiterzugehen und daraus etwas zu machen. Darauf vertrauen, dass etwas Größeres als unsere Pläne die Welt im Innersten zusammenhält.

Wenn wir uns nicht darauf beschränken innerhalb der Grenzen dessen zu bleiben, was wir wollten oder uns vorgestellt haben, eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Dann trägt Planungsstärke bei zu kraftvoller Dynamik in unserem Leben statt uns einzuengen und unbeweglich zu machen.

Nicht planen zu können erleben wir als Krise. Gerade das Nichtplanbare führt uns häufig aber auch aus der Krise heraus. Plötzlich tun sich ganz neue Wege auf. Und die zutiefst erfüllenden Momente unseres Lebens ereignen sich in aller Regel ungeplant, sind nicht konstruierbar und nicht wiederholbar.